6. Türchen (2016) oder von Biologischen und anderen Kindern

Liebes Du,

willkommen hinter dem sechsten Türchen.

„Kinder“ lautet das Thema mit dem der Wirt mich beschenkte und ich bin gerade selber ganz gespannt was daraus werden wird.

Kinder, meine Kinder…

– Da gibt es die beiden, die jeder als meine Kinder sieht weil ich sie geboren habe, den großen über den ich vorgestern schrieb und seine Schwester der es noch immer nicht gelingt mit mir um zu gehen.

Aber „meine Kinder“ das sind mehr als nur die beiden…

– Da ist die, die mein Kind war weil sie die Tochter des Mannes ist den ich liebte. Sie verbrachte mehr Zeit mit mir als mit ihm, wir waren einander recht nah. Jetzt, mehr als 5 Jahre nach der Trennung von ihrem Vater lockert sie das Band zwischen uns mehr und mehr. Den Stiefmutter-Kosename benutzt sie nicht mehr. Ich bin nicht mehr die Stiefmutter, das ist jetzt eine andere. Ich bin nur noch die „Ex des Vaters“ und irgendwie überzählig in ihrem verwirrenden Familiengeflecht.

– Meine Kinder, das sind auch die drei die nicht gelebt haben. Die drei die für niemanden gezählt haben, die drei um die ich alleine getrauert habe. Sie wurden begraben unter einem Berg wohlgemeinter, „Du wirst andere Babys kriegen“, „Es war noch so früh, das zählt nicht“, „Das Leben geht weiter“, „Es ist bestimmt besser so“, „Rede nicht drüber, dann kannst du es vergessen“,… Vergessen, nein, verdrängt, ja, über lange Wegstrecken… Diese drei sind jetzt immer öfter in meinen Gedanken, da braut sich etwas zusammen und ich bin bereit dafür.

– Und dann ist da noch…

Als ich begonnen habe im Asylbewerberheim zu arbeiten, tat ich dies mit dem Vorsatz „Bloß nicht an die Menschen binden, sie werden alle wieder gehen“. Es brauchte nicht lange bis mir klar wurde wie irrwitzig dieses Vorhaben war. Wenn ich es schon nicht verhindern konnte meine Gefühle mit dorthin zu nehmen, dann wollte ich sie bewusst auf ein paar wenige konzentrieren, „meine Jungs“. Mit diesen habe ich auch Freizeiten außerhalb des Zentrums verbracht. Einer war von Beginn bis zum Ende dabei. Mein „Bodyguard“, mein talentreichster Schüler, sei es beim Englisch oder Französisch, ein junger, schüchterner Mann mit gutem Herzen. Wir wussten, dass wir einander etwas Besonderes sind, hatten es aber nie angesprochen.
Als das Zentrum schloss und er in ein anderes kam, als er glaubte wir verabschieden uns für immer, schrieb er: „Danke für alles heute (wir hatten den Nachmittag miteinander verbracht), es war ein wunderschönes Gefühl, es war als sei ich mit meiner Mutter. Ich habe zwei Mütter, eine in Belgien und eine im Irak“
So habe ich 2016 ein neues Kind bekommen.

Ich habe 7 Kinder. Das habe ich so noch nie gesagt aber es fühlt sich richtig und gut an.

Danke fürs mit mir auf meine Kinder schauen,
Dich und die deinen in meine Gedankenarme schließe,
deine Bisou

13 Kommentare zu „6. Türchen (2016) oder von Biologischen und anderen Kindern

  1. Danke für Deine anregenden Gedanken. Sie zeigen, welche Bedeutung Kindern im Leben zukommt und dass es nicht wichtig ist, ob es unsere leiblichen sind. Unser Herz adoptiert auch den jungen, schüchternen Mann, der so eifrig von uns lernt, oder die Tochter des geliebten Mannes, deren innige Verbundenheit sich mit den Jahren zur lockeren Verbindung wandelt. Die Beziehung zu unseren Kindern. Ein unerschöpfliches Thema. Immer im Fluss: mal vertraut, mal fremd, mal herzlich, mal voll Ablehnung, Auflehnung und Aggression.
    Was mich immer in Erstaunen versetzt: welche körperliche und geistige Entwicklung unsere Kinder durchlaufen. Das ist ein Wunder. Ich beobachte es aufmerksam immer wieder und begreife es doch nicht.

    Like

    1. Ja, auch ich staune immer wieder über dieses Wunder, beobachte und erfreue mich daran.

      Ich mag dein Wort „Wunder“. Ein Kind war für mich mal etwas das mit Zellteilung zu tun hatte, ein rein biologischer Vorgang… Bis ich selber Leben in mir getragen habe. Ich konnte noch soviel darüber lesen, es gab keine rationelle Erklärung mehr dafür, ich wusste ich erlebe ein Wunder 🙂

      (Hier und da habe ich dann auch mein blaues Wunder erlebt, aber das gehört dazu *lach)

      Like

      1. Ja, vom Wunder übers blaue Wunder zum Grün-und-Blau-Ärgern ist oft nur ein kurzer Weg, wie ich mit meinen beiden kleinen Enkelsöhnchen häufig erleben kann. Den Ärger aber nimmt man ohne mit der Wimper zu zucken in Kauf, weil die Zwerge einem täglich ganz einzigartige Geschenke machen, ohne die die Welt sehr öde wäre.

        Gefällt 1 Person

  2. Bewegtes, bewegendes Leben, mir in Teilen vertraut.
    So hat auch mein Sohn eine „halbe“ Schwester … kein ruhmreiches Kapitel für mich.

    Blutverwandtschaft ist nur eine von vielen.

    …und seine Schwester der es noch immer nicht gelingt mit mir um zu gehen
    Ein interessanter Satz. Drehe ihn mal um 😉

    Lieben Gruß!

    Like

    1. „gehen zu um mir mit gelingt nicht immer noch es der Schwester seine und“ – Klar, du hast es anders gemeint, aber es ergibt dann genau diesen Sinn: keinen.

      Wenn es um dieses Kind geht ist meine Wortwahl meist sehr genau weil ich mich viel mit ihm beschäftigt habe.

      Ich kann mit ihr umgehen. Ich kann sie sein lassen und ich kann die Situation gut sein lassen.
      Trotzdem danke fürs hinterfragen… oder war es ein Nachfragen zu gehörtem was mir nicht bewusst ist?

      Auch danke für den Satz: „Blutverwandschaft ist nur eine von vielen“

      Like

        1. Ich habe dich heute morgen schon gelesen und es hat mich den ganzen Tag nicht losgelassen…
          Ich kann mit ihr umgehen, mit ihrem Schweigen oder als sie mal eine Auskunft brauchte konnte ich ihr ganz normal damit umgehen.

          Ich verstehe deinen Gedanken, dass Beziehungen immer zwei betreffen aber wenn einer den anderen nicht hören kann, dann bedeutet es nicht zwangsläufig, dass er taub ist. Vielleicht liegt es nur an der Stummheit des anderen.

          Ich weiss um dein gutes Auge und bin verunsichert – entgeht mir etwas?

          Like

        2. Mir hilft es oft, einen Schritt zurück zu treten. Bin ich zu dicht am Geschehen, kann ich nicht klar sehen, fühlen. Oder besser, nur die eigene Verletzung wahrnehmen. Nicht die des Gegenüber. Mit ein wenig Abstand wird das Bild vollständiger.

          Like

  3. …. und sie zählt die Häupter ihrer Lieben (Kinder)
    und siehe da es waren sieben….

    Sehr gern bin ich deinem Blick auf deine Kinder gefolgt, habe versucht, deine Gedanken zu ihnen zu erfassen.

    Danke fürs Mitnehmen!

    Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s