11. Türchen (2015) oder von Selbstliebe

Guten Abend und Willkommen hinter dem elften Türchen.

Jacky hat mir für heute einen Klassiker ins Türchen gelegt, die Vertonung eines Gedichtes von Hildegard Maria Rauchfuß

Am Fenster
Einmal wissen dieses bleibt für immer
Ist nicht Rausch der schon die Nach verklagt
Ist nicht Farbenschmelz noch Kerzenschimmer
Von dem Grau des Morgens längst verjagt
Einmal fassen tief im Blute fühlen
Dies ist mein und es ist nur durch dich
Nicht die Stirne mehr am Fenster kühlen
Dran ein Nebel schwer vorüber strich
Einmal wirklich fassen und nie wieder
alles geben müssen, was man hält
Klagt ein Vogel? Ach, auch mein Gefieder
Näßt der Regen flieg ich durch die Welt
Einmal fassen tief im Blute fühlen
Dies ist mein und es ist nur durch dich
Klagt ein Vogel? Ach, auch mein Gefieder
Näßt der Regen flieg ich durch die Welt

Die Versuchung die Worte einfach so stehen zu lassen ist groß, damit würde ich meinem Türchen aber nicht gerecht.

Wenn ich die Augen schließe kann ich es sehen, das Kind, dass ich gewesen bin.

Oft mit der Stirn am Fenster – die Tränen dessen der nach draußen schaut, werden nicht von denen drinnen gesehen. Es gehörte zu ihren Machtspielchen zu geben und wieder, mit oder ohne fadenscheinige Begründung, zurück zu nehmen. Sei es eine Belohnung, sei es Freizeit, sei es Aufmerksamkeit, was auch immer. Die Kranke Frau war Herrin über mich und ließ dies bei jeder Gelegenheit durchblicken. Bis auf Strafen war mir nie etwas sicher. (Ob meine Unfähigkeit zur Vorfreude auch damit zu tun hat?)

Heute sind Dinge „mein“. Durch das Wissen um die Krankheit der Mutter, durch das Wissen um die eigene Co-Krankheit konnte ich aus der Abhängigkeit heraus. Nichts ist mehr auferlegt oder erzwungen, nichts ist mehr geliehen oder nachgeahmt. Was auch immer mich ausmacht, ich habe es mir erarbeitet, mich dafür entschieden. Wo ich kein Manipulieren mehr zulasse, keine Angst vor Ablehnung mehr lebe, wo ich um meinen Wert weiß und vor Allem gelernt habe mich zu lieben, da bin ich sicher.

„Dies ist mein und es ist nur durch dich“, da ist in meinem Erleben der Worte kein zweiter Mensch im Spiel. Es ist als spräche die Abhängige zu der Befreiten in mir.

Ich erinnere noch sehr gut wie es sich anfühlte als mir bewusst wurde, dass mir nie wieder jemand meine Selbstachtung, meine Selbstliebe würde nehmen können „tief im Blute fühlen dies ist mein“ bringt es sehr schön zum Ausdruck.

Es ist nicht jeden Tag einfach, der Krankheit begegne ich noch regelmäßig aber was soll‘s, just singing in the rain.

Es ist spät geworden, leise schließe ich das Türchen hinter mir,
Träume was Schönes,
Bisou

2 Kommentare zu „11. Türchen (2015) oder von Selbstliebe

  1. Lyrische Texte lassen oft mehrere Interpretationen zu.

    Wie Du „Am Fenster“ von Rauchfuß deutest, ist in der Bezogenheit auf deine Person und dein Leben berührend. Beeindruckend fand ich auch, wie Du den zweimal wiederkehrenden Vers „dies ist mein und es ist nur durch dich“ als Dialog zwischen altem und aktuellem Ich begreifst.

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    1. Vermutlich ist alles „grossen“ Texten, in gleich welcher Form, gemein, dass jeder Leser sich darin wiederfinden kann.
      Danke fürs mit mir hier unterwegs sein

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